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2002

NZZ 14.6. Villoe Huszai
Draussen vor der Tür - Port Scanning als Kunstwerk

Die Zürcher Künstlergruppe Knowbotic Research befasst sich in ihrer jüngsten Aktion, «Minds of Concern: Breaking News», mit dem Port Scanning, dem systematischen Auskundschaften von entfernten Computern. Port Scanning gilt im Internet allerdings als unanständig, und so wurden die Zürcher anlässlich ihrer Ausstellung in New York vom Internet Service Provider vor die Tür gestellt.

Besucherinnen und Besucher der Anfang Mai eröffneten Ausstellung «Open - Source - Art - Hack» im New Museum of Contemporary Art in New York konnten während einer Woche an zwei Computerstationen von Knowbotic Research die Kommunikationsschnittstellen entfernter Computer auskundschaften. Bei diesem sogenannten Port Scanning werden vor allem Sicherheitslücken gesucht. Bei der Aktion «Minds of Concern: Breaking News»[1] von Knowbotic Research[2] wurden die Rechner von einigen hundert Nichtregierungsorganisationen und Medienaktivisten ins Visier genommen.

Der mit transparenten Plasticbehältern in den Farben der US-Flagge angefüllte Museumsraum war dabei als Installation gestaltet, die die aufgefundenen Sicherheitslücken jeweils akustisch und visuell räumlich erfahrbar machte. Nach einer Woche kam jedoch das Aus für das Projekt. Der Provider kappte kurzerhand die Netzverbindung und konnte sich dabei auf seinen Vertrag mit dem Museum berufen; darin ist Port Scanning ausdrücklich untersagt.

Räume, Ströme
Die drei Zürcher Hochschuldozenten Christian Hübler, Yvonne Wilhelm und Alexander Tuchacek, die den Kern von Knowbotic Research ausmachen, sind in der Kunstszene schon längst keine Unbekannten mehr. Knowbotic Research hat schon fast alles gewonnen, was es im Bereich der Medienkunst an Auszeichnungen zu gewinnen gibt: zweimal die goldene Nica des Linzer Medienkunst-Festivals Ars Electronica (1994 und 1998) und zweimal den Medienkunstpreis des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (1997 und 2000). 1999 erfolgte die Einladung an die Biennale Venedig und 2002 unter vielen anderen auch die Einladung nach New York. «Minds of Concern» ist insofern untypisch für Knowbotic Research, als die Technologie dabei eine Nebenrolle spielt.

Die 1991 gegründete, aus der Kölner Medienkunst-Szene hervorgegangene Künstlergruppe beschäftigte sich im Laufe der neunziger Jahre mit Datenräumen und Informationsströmen und visualisierte diese Phänomene in zum Teil sehr aufwendigen Installationen. In «Connective force attack: open way to the public», einer spektakulären Kunstaktion im Hamburger U-Bahn-System, setzte sich Knowbotic Research 2000 zum ersten Mal mit dem Hacken auseinander. Die New Yorker Aktion setzt diesen Strang ihrer Arbeiten fort: Die Ausstellung «Open - Source - Art - Hack» fragt nach den Möglichkeiten kreativen Hackens.

Man könnte die Kunstaktion von Knowbotic Research als derben Wink an die Systemverantwortlichen auffassen, die Sicherheitsmassnahmen zu verstärken und undichte Ports zu schliessen. Dass Knowbotic Research gerade Nichtregierungsorganisationen ins Visier nahm, hat jedocheinen Hintersinn: Damit stellt Knowbotic Research den durch den 11. September wachsenden Ruf nach maximaler Sicherheit in Frage. Die Aktion demonstriert, dass es zwar erstens Sicherheitsprobleme gibt, dass es zweitens aber nurunter Verlust sozialer und demokratischer Handlungsspielräume möglich wäre, maximale Sicherheit herzustellen.

«Minds of Concern: Breaking News» ist nicht nur, aber auch ein Stück Aufklärungsarbeit zum Medium Internet; es macht die Öffentlichkeit auf das Phänomen des Port Scanning aufmerksam.

Paranoide Sysops
Hübler zeigt Verständnis, dass Systemoperatoren am Port Scanning keine Freude haben: «Natürlich werden Sysops paranoid, wenn sie dauernd gescannt werden. Das Scannen muss zwar nicht, kann aber die Vorbereitung für einen Hackerangriff sein.» Im New York nach dem 11. September das Port Scanning anderer Rechner als Kunstprojekt zu lancieren, war daheroffenkundig ein heikles Unterfangen. Der Systemverantwortliche des in New York stehenden Kunstservers «The Thing» hatte Knowbotic Research denn auch von dem Projekt abgeraten. Eine amerikanische Anwältin recherchierte für Knowbotic Research. Sie kam zum Ergebnis, dass im Herbst 2000 im Bundesstaat Georgia ein Richter das Port Scanning fremder Rechner als legal eingestuft hatte. Vorsichtshalber hat Knowbotic Research von den 800 Port-Scanning-Programmen trotzdem nur einen Teil, die «nicht intrusiven», laufen lassen. Auch hat Knowbotic Research die Identität der gescannten Rechner verschleiert. Das privatrechtlich ermöglichte Njet des Internet Service Provider Mitte Mai kam sowohl für das Museum wie für Knowbotic Research überraschend.

Bis jetzt hat Knowbotic Research die aus dem Netz verbannte Site nicht wieder aufgeschaltet, aber die New Yorker Installation ist nach wie vor zu sehen, wenn auch nicht in Betrieb. Eine Fortsetzung des Online-Projektes soll es geben, aber die drei Künstler wollen jene Rollen, die durch die Zensurierung ihres Projektes naheliegen, nicht übernehmen. Man habe sie gedrängt, so schnell wie möglich einen alternativen Provider ausserhalb der USA zu finden und weiterzumachen. Das Kunsthacken als Selbstzweck interessiere sie dafür aber nicht, so wenig wie die Rolle des Institutionskritikers, der das New Museum im Speziellen oder die Institution der Kunstausstellunggenerell als ungeeignet für experimentelle Netzprojekte brandmarkt. Knowbotic Research interessiert die Komplexität des Netzes als eines öffentlichen «Wissensgenerierungsraums», wie Wilhelm im Gespräch die Verflechtung von Datenraum und öffentlich-sozialem Raum nennt.

Villö Huszai

Location
On the US legal bug
7.5.:
<nettime> PDS
7.5.: Re: <nettime> [L. Brown]
7.5.: Re: <nettime> [F. Cramer]
8.5.:Re: <nettime> KR
8.5.: scan reports
9.5.: Server Migration US
Port scanning is legal in the US

10.5.: provider vs kr

13.5.:New York Times Article
RE2: NYTIMES article
RE2: NYTIMES article
RE:3 NYTIMES article: KR
15.5.: wired article
[ thing] review
19.5.: Sonntagszeitung
13.6.: neural.it

14.6.:NZZ



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